Im Folgenden möchte ich die Methode der Kirchenpädagogik vorstellen und orientiere mich dabei an dem „Handbuch der Kirchenpädagogik“1 von Hartmut Rupp. Ich erläutere zunächst kurz den praktischen Begriff der Kirchenpädagogik, weise dann auf, welche Zwecke und Erfolge man mit ihr erzielen kann und gehe dann auf konkrete Ansätze für die Umsetzung von Kirchenpädagogik im Hinblick auf die Institution Schule ein.
Seit den neunziger Jahren stellt die Kirchenpädagogik eine Teildisziplin der Praktischen Theologie dar und soll die Möglichkeit eröffnen, eine Kirche, einen Kirchenraum zu lesen und einen individuellen Zugang zu ihr zu finden2. Wolfgang Huber erläutert die Bedeutung von Kirchenpädagogik folgendermaßen: „Die Fähigkeit, den Text der Kirchenarchitektur und der im Kirchraum aufbewahrten Kunstwerke zu lesen, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, die Möglichkeiten zur Begegnung in diesem Raum wahrzunehmen. Nur wenn sie subjektiv gelesen werden können, fördern Kirchenräume diejenigen Primärerfahrungen, die gerade in ihnen auf unvergleichliche Weise möglich sind.“3 Die Möglichkeiten, von denen Huber hier spricht, sind die Ziele, die durch die Kirchenpädagogik erreicht werden können. Es geht um die ganzheitliche Erschließung und bewusste Erfahrung eines Kirchenraumes. Darüber hinaus soll die Institution Kirche wieder verständlich werden. Ein Großteil der heutigen Gesellschaft hat heute keinen Bezug mehr zur Kirche und sich stark von ihr distanziert. Das führt dazu, dass viele Menschen die Kirche als Konzept nicht gegenwärtig haben und über ein lediglich defizitäres Wissen verfügen. Diese Defizite sollen abgebaut werden.
Drei Ziele4stehen bei der Kirchenpädagogik im Vordergrund. Sie können aufeinander aufbauen, aber auch unabhängig voneinander bearbeitet werden können:
- Die Alphabetisierung: Die Kirche ist ein großer Bestandteil unserer Kultur und Gesellschaft. Bei der Alphabetisierung geht es darum, das Christentum als kulturellen Gegenstand kennen und verstehen zu lernen.
- Die Er-Innerung: Formen von überliefertem und gelebtem Glauben sollen hierbei persönlich erfahren werden. Kirche und Glaube soll begriffen und nachvollzogen werden und so zielt die Er-Innerung „auf die persönliche Entwicklung und Erfahrung von Spiritualität“5 ab.
- Die Beheimatung: Kirche ist eine Institution, die auf einer stark vernetzen Struktur fußt. Bei der Beheimatung soll Kirche in ihren Bestandteilen (PastorInnen, Kirchenvorstand, Gemeinde, Gemeindearbeit etc.) verständlich gemacht werden.
Es gibt laut Rupp drei Ansätze6, die diesen Zielen gerecht werden können. Wichtig ist, sich vor Augen zu halten, dass Kirchenpädagogik keine Führung durch eine Kirche ist, „sondern eine inszenierte persönliche Begegnung“7.
- Die Kircherkundung: Bei der Kircherkundung bekommt jeder Teilnehmer/ jede Teilnehmerin einen Erkundungsbogen und kann diesen selbst ausfüllen.
- Die geistliche Führung: Bei Rupp heißt es, die geistliche Führung sei eine Art Prozession, die „durch den Kirchenraum zieht und am Portal, am Taufstein, an der Kanzel, am Altar, am Beichtstuhl, an einem Bild oder an anderen Orten verweilt und den Stein gewordenen Glauben feiert und meditiert.“8 Von dieser Aussage möchte ich mich jedoch distanzieren. Die Kirchenpädagogik, wie wir sie in dieser Ausarbeitung auffassen, hat nichts mit gelebtem Glauben oder Mission zu tun. Unter einer geistlichen Führung verstehen wir vielmehr einen kommentierten Kirchrundgang unter Anleitung eines Kirchengemeindemitglieds. Dabei wird die Raumgestaltung hinterfragt und erklärt. Es können Fragen gestellt und Anregungen zum Nachdenken gegeben werden.
- Die ganzheitliche Kircherschließung: Der Kirchraum wird hierbei mit allen Sinnen erschlossen und im Gespräch interpretiert.
Für alle drei Ansätze steht eine Didaktik zur Verfügung, die für Kirchenpädagogik spezifisch ist. Diese Didaktik macht sich durch folgende zehn Bewegungen aus:
- Von außen nach innen
- Vom anfänglichen Befremdetsein zum Bewundern und Staunen
- Vom Einzelnen zur Gemeinschaft
- Vom Annähern zum Verweilen
- Vom Raum-Ganzen zum Detail
- Vom Wahrnehmen zum Verstehen
- Vom Gestalten zum Umgestalten
- Vom eigenen Erleben und Fragen zu Deutung und Antwort
- Vom Erproben und Erkunden zum geistlichen Leben
- Vom äußerlichen Raum zur Wahrheit der göttlichen Gegenwart9
1 Rupp, Hartmut: Handbuch der Kirchenpädagogik. Kirchenräume wahrnehmen, deuten und erschließen. Calwer Verlag, 2006, Stuttgart.
2 A.a.O.: S.10.
3 Huber, Wolfgang: Kirche in der Zeitwende. Gesellschaftlicher Wandel und Erneuerung der Kirche. Bertelsmann Stiftung, 1998, Gütersloh, S.284.
4 Rupp, Hartmut: Handbuch der Kirchenpädagogik, S.18.
5 Ebd.
6 A.a.O.:S.17
7 Ebd.
8 Rupp, Hartmut: Handbuch der Kirchenpädagogik, S.17.
9 Vgl. a.a.O.: S.18. Kritisch ist j) zu betrachten. Die „Wahrheit der göttlichen Gegenwart“ gilt es nach unserer Auffassung nicht zu finden. Vielmehr geht es darum, den Bezug zwischen Raum und Religion fassen zu können.