Kirche der Stille in Altona

Bei der Kirche der Stille handelt es sich um die Christopheruskirche in der Helenenstraße im Hamburger Stadtteil Altona. Sie wurde 1894 im neugotischen Stil erbaut und gehört zur evangelisch-lutherischen Gemeinde Altona Ost. Diese Kirche wurde 2008 als Kirche der Stille komplett umgebaut. Dieser Umbau soll als Antwort, der Sehnsucht vieler Menschen nach Stille und Ruhe im meist stressigen Alltag Hamburgs gedeutet werden. Die neue Kirche steht unter der Leitung von Pastorin Irmgard Nauck.1  

Der Kirchenraum wurde nach dem Einrichtungsprinzips des Energieflusses und den fünf Elementen nach Feng Shui konzipiert.2 Daher wurden aus dem Kirchenraum alle für Kirche typischen Elemente entfernt, damit eine völlig neue Atmosphäre herrscht. So mussten Taufbecken, Altar, Kanzel und Kirchenbänke weichen und der Raum komplett weiß gestrichen werden, damit ein weiter Raum mit einer neu gestalteten Mitte entstehen kann. Außerdem wurden die bunten Kirchenfenster mit langen weißen Vorhängen verdeckt. Damit eine ruhige und konzentrierte Atmosphäre entstehen kann und die Energie im Raum bleibt.3 Die entfernten Gegenstände wurden verändert und dezenter Form zurück in den Raum geholt. Die Kirchenbänke dienen nun dem Vorraum der Kirche, um dort eine Sitzmöglichkeit beim Schuhe ausziehen zu bieten und das Becken des Taufbeckens ist ebenfalls wieder zu finden. Außerdem ist eine große Bibel auf einem Ständer zu finden. An dem Ständer der Bibel ist ein Meditationsrad des Mystikers Nikolas von der Flühe zu sehen. Damit soll die Zentrierung und den anschließenden Gang in die Welt und die Verantwortung eines Individuums für diese vermittelt werden.4

In der Mitte des Kirchenraumes befindet sich ein Sitzkreis mit Meditationskissen, über dem ein Lichteroktogon, das als ein göttliches Zeichen aus der Gotik bekannt ist, hängt. Frau Nauck spricht von einem Energiefluss der in diesem so gelenkt wird, dass er wohltuende Prozesse fördert. Um diesen Energiefluss zu unterstützen, wurden ausschließlich ökologische Materialien verwendet. So befinden sich ein Herz aus Speckstein in diesem Raum, ein Kreuz aus Ästen, sowie ein mit Sand gefülltes Becken, in dem Kerzen gesteckt und angezündet werden können.

Die Kirche steht von zehn bis achtzehn Uhr offen und soll einen zweckfreien Raum bieten, in dem keine Bedingungen gestellt werden. So soll der äußere Raum, als Ort der Stille, den Weg zum Inneren der Menschen stärken.5  Dieses Konzept der Kirchennutzung ist im norddeutschen Raum völlig neu. Es orientiert sich an drei Elemente: Stille, Weite und Rhythmus. Mit diesem Projekt sollen neue Wege für die Nutzer eröffnet werden. Im Zentrum dieser Kirchennutzung soll das Erinnern an die eigenen mystischen Quellen, sowie das Schöpfen aus diesen sein.6

Als evangelische Kirche knüpft die Kirche der Stille am die Tradition der christlichen Meditation und Kontemplation. Das Konzept orientiert sich an Mystiker wie Edith Stein, Meister Eckhard u.a. Dabei ist die Tradition des Herzensgebets leitend.  In der Kirche der Stille wird ebenfalls neuen spirituellen Wegen Raum gelassen, wie zum Beispiel das Sitzen in der Stille, welches eigentlich zum Zen-Buddhismus gehört. Die Kirche der Stille dient ebenfalls als Gastgeberin für andere Religionen. So wird ausgehend von der christlichen Religion die Begegnung mit anderen Religionen gesucht, um neue Wege in die Stille kennen zu lernen.

Irmgard Nauck ist der Ansicht, dass man in der Stille die Unmittelbarkeit Gottes und die Kraft der eigenen Mitte erfahren kann. In der Stille ist eine Einkehr in sich selbst und in Gott möglich. Da man in der Stille, im Gegensatz zu einem vorformulierten Gebet, auf Gott wartet und ihm Raum gibt zu einem zu kommen. Frau Nauck ist der Ansicht, dass dies bei einem vorformulierten Gebet schlechter möglich ist, da man in der Stille offener für Gott sein kann und nicht mit dem Sprechen eines Gebetes beschäftigt ist. Bei der Meditation konzentriert man sich zunächst auf ein Mantrawort, bis man alle Gedanken von sich gelassen hat. In diesem Zustand wird ein „ich und du“ mit Gott möglich.7 Dies kann allein oder in Gesellschaft passieren, da die Kirche der Stille beide Möglichkeiten bietet. So kann man dort auf unterschiedliche Weise gemeinsam meditieren und Stille erleben. Dies kann vertiefend, unterstützend oder erweiternd erfolgen. Es ist aber auch möglich, Stille in Gebeten, beim Tanz oder im Singen zu erleben. Auch hierfür bietet die Kirche der Stille verschiedene Angebote.8

Die Kirche der Stille soll einen Raum des Friedens und eine Verbundenheit mit der einen Welt eröffnen. Denn das Üben der Achtsamkeit geschieht stets in Verbundenheit mit anderen Menschen und der gesamten Schöpfung. So kann man sich in der Meditation als Teil des Ganzen erfahren. Das Beispiel des Ein und Ausatmens soll dies verdeutlichen. Das Einatmen geschieht von selbst. Man muss keinen Atem holen. So kann man diesen Atem als Geschenk Gottes deuten. Da jedes Lebewesen ein und atmen muss, kann man sich bei der Fokussierung auf das Atmen mit der Schöpfung verbunden fühlen. Man erfährt sich als Teil der großen Schöpfung, welche nicht vom Individuum abhängig ist. Dieser Zustand kann eine Entlastung darstellen. Dadurch kann das Herz geöffnet werden und eine Hingabe zu Gott geschehen. Außerdem kann aus diesem Verbundenheitsgefühl ein Verantwortungsbewusstsein für diese eine Welt entstehen.9 Für diese Bedürfnisse bietet die Kirche der Stille regelmäßig Friedensgebete an.

Alles Lebendige liegt einem Rhythmus zu Grunde. Dies wird durch das Ein- und Ausatmen, dem Herzschlag und der rhythmischen Ordnung der Schöpfung (Jahreskreislauf, Lebenskreislauf) deutlich. Frau Nauck ist der Auffassung, dass der Alltag tiefer und reicher erlebt wird, wenn es gelingt, einen Wechsel von Aktivität und schöpferischer Pause zu gestalten. Denn wer seinen Alltag durchbricht und in die Stille geht kann dies als heilsamen Rhythmus erfahren.10 Die Kirche der Stille unterstützt diesen Weg, indem sie einerseits einen offenen Raum zur Verfügung stellt und andererseits wiederkehrende Angebote anbietet. So findet man einen regelmäßigen Tagesrhythmus wieder:

10.00-18.00 Uhr offene Kirche

18.00 Uhr Abendmeditation

19.30 Uhr Meditationsangebote mit unterschiedlichen Wegen in die Stille

Außerdem werden einzelne Tage in der Woche jeweils mit festen Terminen und Angeboten versehen. Somit erhalten sie eine leicht erkennbare und sich wiederholende Struktur. Trotzdem ist es möglich jederzeit spontan an diesen Veranstaltungen teilzunehmen. Dies ist wichtig, da die Kirche der Stille der Suche nach dem richtigen Weg einer individuellen Person nicht im Wege stehen soll. Der Lauf des Jahres wird ebenfalls aufgegriffen, so dass Festtage wie zum Beispiel Weihnachten oder Ostern etc. besonders gefeiert werden.11

Die Kirche der Stille lässt sich in die Kategorie der Monoreligiösen Räumen einordnen, da andere Religionen nur als Gast in der Kirche der Stille fungieren. Die Sufis gestalten vier Veranstaltungen im Jahr zwar gleichberechtigt mit, dennoch geschehen diese in einer deutlich christlichen Kirche.12 So werden das offene Gespräch und interreligiöse Begegnungen gefördert, dennoch gehen diese immer von der christlichen Religion aus. Außerdem beschränkt sich der Dialog auf drei Religionen: das Christentum, der Sufismus und der Buddhismus. Hierbei ist das Christentum der dominierende Gastgeber und die anderen Religionen sind die Gäste, die etwa viermal im Jahr eingeladen werden. Außerdem werden Rituale der nichtchristlichen Religionen, wie zum Beispiel das Meditieren des Buddhismus in die christliche Glaubensausführung integriert. Dies wird auch in der Gestaltung des Kirchenraums deutlich. So ist dieser zwar sehr hell und dezent gestaltet, dennoch sind nur christliche Symbole deutlich erkennbar (Kruzifix, Taufschüssel, Bibel etc.).

2 vgl. Anhang 1: Interview, Zeile 54-62.

3 vgl. ebd., Zeile 75-79.

4 vgl. ebd., Zeile 42-46.

5 vgl. www.kirche-der-stille.de/topmenue/profil/, Stand: 4. März 2011.

6 vgl. ebd.

7 vgl. Anhang 1: Interview, Zeile 82-100.

9 vgl. Anhang 1: Interview, Zeile 117-126.

11 vgl. ebd.

12 vgl. Anhang 1: Interview, Zeile 103-116.

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